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Äthiopiens Kampf gegen die biblische Plage

Millionen Heuschrecken bedrohen die Ernte und das Weideland – die Bauern wehren sich mit Rauch und LĂ€rm

Von Carsten Boning

Addis Abeba. „Äthiopien leidet unter sehr großen Schmerzen.“ Das sagte Dr. Sebastian Brandis vor gut einer Woche zum Auftakt der 37. Saison der OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“. Der Vorstandssprecher der Stiftung „Menschen fĂŒr Menschen“, die seit 1984 von SgH bei ihrer Arbeit am Horn von Afrika unterstĂŒtzt wird, spielte damit auf die vielen Probleme des Landes an. Denn: Das Jahr 2020 ist in Äthiopien nicht nur geprĂ€gt von Corona und den Überschwemmungen nach der großen Regenzeit. Nein, das Land Ă€chzt zudem unter den Folgen einer Heuschreckenplage, die ĂŒber mehrere Monate wĂŒtete. „Es ist die schlimmste Plage seit Jahrzehnten“, sagt Brandis. Die Stiftung berichtet vom verzweifelten Kampf der Ă€rmsten Bauernfamilien gegen „eine Plage biblischen Ausmaßes“.

Eine verheerende Plage, die ihren Ursprung bereits im Jahr 2019 hatte. Denn: Mitte des vergangenen Jahres ĂŒberquerten WĂŒstenheuschrecken aus Arabien das Rote Meer und den Golf von Aden und fielen in Ostafrika ein. Sebastian Brandis sagt dazu: „Durch den BĂŒrgerkrieg im Jemen hat es dort kaum Maßnahmen gegen die Heuschrecken und deren Brutvorkommen gegeben. Sie konnten sich ungehindert ausbreiten.“

Manche SchwĂ€rme der WĂŒstenheuschrecke bestehen aus bis zu 50 Millionen Insekten. Und: Eine einzige Heuschrecke legt zwischen 50 und 100 Eier. Die ersten SchwĂ€rme fielen Anfang 2020 ĂŒber den Osten Äthiopiens her. Auch die Region Wore Illu, 300 Kilometer nordöstlich von Addis Abeba gelegen und die Heimat der dritten SgH-Schule (Wore Illu Higher Secondary School), war in Teilen betroffen. Die zweite Welle traf dann spĂ€ter im SĂŒden ein. Vor allem entlang der Grenze zu Kenia wurde die Lage zunehmend prekĂ€rer. Denn schon vor der Heuschreckenplage waren die Menschen vor Ort von Hunger betroffen. Durch die SchĂ€den, die die Heuschrecken angerichtet haben, verschlechterte sich die Lage auf dramatische Weise.

Die Heuschrecken fallen besonders gerne ĂŒber Getreide und Bohnen her. Dass ein Großteil der FeldfrĂŒchte rechtzeitig abgeerntet werden konnte, war GlĂŒck im UnglĂŒck. Aber: Die Insekten bedrohten auch die ObstbĂ€ume, das Weideland fĂŒr das Vieh sowie die Ensete, auch „falsche Banane“ genannt. Aus den stĂ€rkereichen Stauden gewinnen die Familien ihr Grundnahrungsmittel Kotscho, ohne das sie Nahrungsmangel ausgeliefert sind. Die riesigen HeuschreckenschwĂ€rme legen bis zu 150 Kilometer am Tag zurĂŒck und lassen, wenn sie weiterziehen, ganze Landstriche kahlgefressen zurĂŒck. „Die Vegetation hat sehr gelitten“, sagt Brandis. Es ist ein Desaster fĂŒr die Bevölkerung. Sieben von zehn Menschen in Äthiopien leben vom Ackerbau und von der Viehzucht.

Beim Kampf gegen die Plage setzen die Bauern auf einfachste Mittel – so wie in Abaya im SĂŒden des Landes. Dort fĂŒhrt die Stiftung ein Projekt fĂŒr die Ă€rmsten Bauernfamilien durch. Nach einer Vorwarnung durch die lokalen Behörden und MfM-Projektmitarbeiter war die gesamte Bevölkerung auf den Beinen. Es wurden stark qualmende Feuer aus Gras und Stroh entzĂŒndet, denn die SchwĂ€rme mögen keinen Rauch. So wurde erreicht, dass die Heuschrecken nicht in den besonders wertvollen MfM-Pflanzschulen fĂŒr Kaffee und in vielen der Ensete-GĂ€rten landeten.

Die Menschen schlugen zudem mit Stöcken nach den Tieren. Vor allem aber wurden die Insekten mit LĂ€rm vertrieben. So trommelten die Bauern mit Stöcken auf Wellbleche und gaben Schreie von sich. Auch einzelne FlintenschĂŒsse wurden abgegeben. Nach zwei Tagen war der Spuk vorbei, die SchwĂ€rme erhoben sich und zogen weiter. Kurzes Aufatmen in Abaya, aber noch keine Entwarnung.

Bild: Mittendrin im Heuschreckenschwarm: Zwei Mitarbeiter vom Katastrophenschutz im Kampf gegen die schwerste Plage seit 25 Jahren. Foto: MfM