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Hawaii erteilt Christoph Hugenberg eine Lektion

Von Carsten Boning

Die „Quälerei vor dem Herrn“ ist bereits ein paar Tage her, die Beine haben sich so langsam erholt, aber der Kopf ist nach wie vor voll mit den EindrĂĽcken vom Mythos Hawaii, vom Mekka des Triathlonsports. „Das wirst du so schnell auch nicht los“, erzählt Triathlet Christoph Hugenberg. Der 56 Jahre alte Holdorfer, der abseits seiner sportlichen Aktivitäten Vorsitzender der GeschäftsfĂĽhrung der Roto Frank Dachsystem-Technologie in Bad Mergentheim ist, hat zum dritten Mal den Ironman Hawaii absolviert – und jetzt im OM-Medien-Gespräch erzählt, wie’s so war auf der Pazifik-Insel.

„Schrecklich war’s“, sagt Hugenberg ohne Umschweife: „Ich hab‘ mich noch nie so quälen mĂĽssen.“ FĂĽr Hugenberg, der seit langem in Baden-WĂĽrttemberg lebt, seinen ersten Wohnsitz aber nach wie vor in Holdorf hat, war der Wettkampf stets das Salz in der Suppe. Titel, Platzierungen und Zeiten trieben ihn an. Aber jetzt, beim Ironman 2022 auf Hawaii, bekam er eine Lektion erteilt. Bei seinem letzten Start auf der Langstrecke machte er eine „neue Erfahrung“, so Hugenberg: „Ich habe es durchlebt, wie der Mythos um das Finishen geboren wurde. Es ging fĂĽr mich nur noch ums Ankommen. Die Schmerzen, die ich hatte, waren enorm. Bei jedem anderen Wettkampf wäre ich ausgestiegen. Aber nicht dort.“

Nach 3,86 Kilometer Schwimmen im Pazifik, nach 180,2 Kilometer Radfahren und einem finalen Marathon (42,195 km) erreichte er nach 12:00:27 Stunden das Ziel – rund 2:30 Stunden später als bei seinen üblichen Langdistanzen. In seiner Klasse AK 55-59 waren 500 Triathleten am Start, nur 386 erreichten das Ziel, mit seiner Zeit landete der Holdorfer auf Platz 178. Mit Blick auf die Ambitionen, die er sonst so hat, sei das „keine Ruhmestat“, aber diesmal stand das Erreichen der Ziellinie im Fokus.

Hugenberg, der 1993 als erster VEC-Sportler den Ironman Hawaii absolvierte und 2017 nachlegte, sprach von einer „Hass-Liebe“ mit Hawaii. „Eigentlich kann ich diese Luftfeuchtigkeit, diese Hitze ja nicht ab“, sagte er. „Das dritte Mal war auch definitiv das letzte Mal. Die Insel sieht mich nur noch einmal wieder – wenn Hellena hier starten würde“, verriet Hugenberg mit einem Schmunzeln. Seine Tochter, zwölf Jahre alt, ist bereits im Iron-Kids-Bereich unterwegs, habe aber schon angedeutet, dass Hawaii wohl nichts für sie ist.

ZurĂĽck zu den Strapazen des Vaters, der als Langstrecken-Weltmeister 2021 in der AK 55 angereist war. Das Schwimmen lief ohne Probleme, auch die Zeit war gut (1:06 Stunden). Nach fĂĽnf Rad-Kilometern machte es dann „Peng im unteren RĂĽckenbereich“. Der Ischiasnerv war’s, wie sich später herausstellte. Jede Pedalumdrehung sorgte fĂĽr Schmerzen, statt knapp 300 Watt konnte Radfahr-Experte Hugenberg nur noch 130 Watt treten. „Ich kam mir vor wie ein Auto im Notlaufmodus“, erzählte er: „Ich war 175 Kilometer nur Passagier. Viele haben mich ĂĽberholt, ohne Chance auf Widerstand. Das passiert mir sonst nie auf dem Rad.“ FĂĽr die zweite Etappe brauchte er 5:51 Stunden, fĂĽr ihn eine Ewigkeit. Beim Marathon durch die heiĂźen Lavafelder waren die Schmerzen auch ein treuer Begleiter, flankiert von MĂĽdigkeit und Frust. Zwischendurch war sogar Gehen angesagt, um anzukommen. Nach weiteren 4:52 Stunden war’s dann geschafft – die Finisher-Medaille wartete als Lohn.

GroĂźes Engagement fĂĽr den guten Zweck

Kritik übte Hugenberg an der Ironman Corporation, die als Veranstalter „mit dem Feuer spielt“. Coronabedingt waren diesmal rund 5000 Teilnehmer an zwei Tagen am Start. Die kleine, verträumte Ortschaft Kona, die gesamte Infrastruktur mit Hotels und Restaurants sei „völlig überfordert“ gewesen. Die Kosten für die Teilnehmer seien explodiert. Hugenberg vermisste das normale Ironman-Hawaii-Feeling. „Wirtschaftliche Interessen stehen offensichtlich ganz oben auf der Liste“, so Hugenberg: „Die Seele des Hawaii-Mythos wird gerade verkauft.“ Er selbst will künftig nur noch 70.3-Events absolvieren, die Qualifikation für die 70.3-WM in Lahti/Finnland hat er bereits in der Tasche.

nd das Engagement für die OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“ als Zeichen für die Verbundenheit mit der Heimat und mit SgH ist Hugenberg auch sehr wichtig – zusammen mit anderen sportlichen Roto-Mitarbeitern will er weiter Gelder für den guten Zweck sammeln. So wie in diesem Jahr. 24.000 Euro kamen dabei zusammen. Der Erlös wird abermals geviertelt. Jeweils 6000 Euro gehen an die Elfriede-Frank- und die Wilhelm-Frank-Stifung des Unternehmens, an Kindergärten in Bad Mergentheim sowie an „Sportler gegen Hunger“. Das Engagement der Roto-Mitarbeiter hat seit 2011 bereits über 100.000 Euro für SgH eingebracht.

Bild: Jeder Schritt eine Qual: Christoph Hugenberg beim abschlieĂźenden Marathon. Foto: Hugenberg