Dingetu Abebe (7) lebt im MfM-Kinderheim in Mettu/Äthiopien – und er erzählt seine bewegende Geschichte.
Carsten Boning
Dingetu Abebe ist erst sieben Jahre alt, und er hat schon so viel erlebt, so viel erleben müssen. Die Obdachlosigkeit, den Tod der Mutter, dazu noch eine schwere Krankheit – drei Schicksalsschläge, die der kleine äthiopische Junge zu verkraften hatte. „Die ganze Geschichte von Dingetu ist erstaunlich und aufregend – und in manchen Teilen auch bestürzend“, erzählt Abede Wolde. Er arbeitet für die Karlheinz-Böhm-Stiftung „Menschen für Menschen“ (MfM) und leitet das Kinderheim Abdii Borii in der Kleinstadt Mettu. Dort lebt Dingetu Abebe – und dort erzählt er seine Geschichte.
„Meine Mutter bettelte. Wenn sie kein Geld bekam oder nicht genug, aber Hunger hatte, bin ich losgegangen und habe gebettelt“, sagt Dingetu: „Geschlafen haben wir meistens in einem Zelt. Hat es geregnet, ist es auf uns beide getropft.“ Als die Mutter stirbt, hält Dingetu ihre Hand.
Danach schlägt sich der Junge auf der Straße durch. Seine Schwester war ebenfalls gestorben, seine Tante auch. „Nur mein Papa lebt noch“, sagt Dingetu. Wo? Das weiß er nicht. Die Polizei greift ihn auf und bringt ihn ins Kinderheim Abdii Borii. „Eine Erzieherin des Heims fragte, ob ich hier leben möchte. Ich durfte mitessen und mitspielen. Die Erzieherin mochte mich und ich mochte sie“, erzählt Dingetu: „Jetzt ist alles gut.“
Abdii Borii – zu deutsch „Hoffnung auf Morgen“. Bereits seit 1996 gibt’s die Einrichtung von MfM. Abede Wolde sagt: „Das Waisenhaus ist eine Einrichtung für Kinder ohne Hoffnung. Die meisten haben keine Verwandten. Sogar nachzuvollziehen, wer die Eltern waren, ist schwierig. Abdii Borii ist ein Hoffnungsschimmer für diese Kinder. Ohne Abdii Borii wären die Chancen für die Kinder verschwindend gering.“ Das Heim sei „wichtig für diese Region“.
Dingetu hat sich gut eingelebt. Ein Prozess, der auch einen schweren Rückschlag beinhaltete. „Eines Tages bin ich beim Fußballspielen umgefallen“, sagt Dingetu: „Ich dachte ich sei gefoult worden. Ich konnte nicht mehr laufen.“ Es war aber kein Foul, sondern Tuberkulose in der Wirbelsäule. Der Junge hatte heftige Schmerzen, war tagelang ans Bett gefesselt. „Sie haben mir eine Schüssel neben das Bett gestellt, um zur Toilette zu gehen“, erzählt Dingetu, dessen Zustand sich immer mehr verschlechterte. MfM sorgte dafür, dass der kleine Patient in ein Krankenhaus nach Addis Abeba gebracht und dort einen Monat lang erfolgreich behandelt wurde. Inzwischen ist Dingetu wieder fit und besucht die Vorschule.
Er ist aktuell eins von rund 150 Kindern im Alter von bis zu 17 Jahren, die in Abdii Borii leben. Viele von den Kindern lebten unter unzumutbaren Umständen und wurden vor Krankenhäusern, Behörden oder Privathäusern ausgesetzt. Seit 1996 haben mehr als 350 Waisen und Halbwaisen in dem Kinderheim ein Zuhause gefunden und die Möglichkeit erhalten, sich auf ein eigenständiges Leben vorzubereiten.
Für die kleineren Kinder gibt es neben dem Besuch des Kindergartens oder der Schule auch eine Hausaufgabenbetreuung und je nach Bedarf auch Nachhilfeunterricht. Die größeren Kinder und Jugendliche arbeiten im heimeigenen Landwirtschaftsbetrieb mit, damit sie so früh wie möglich mit den Herausforderungen eines modernen und effektiven Landwirtschaftsbetriebes vertraut werden. Durch den Betrieb kann sich das Abdii Borii komplett mit Gemüse, Obst, Milch und Eiern selbst versorgen. Daneben können die Kinder und Jugendlichen in der heimeigenen Holzwerkstatt mitarbeiten.
Für die älteren Heimwohner beginnt im Alter von 17 Jahren die Phase der langsamen Entlassung in die Selbstständigkeit. Die Jugendlichen leben dann außerhalb des Heims und erhalten entweder in Mettu eine weiterführende Bildung, eine Ausbildung in einem „Technical Vocational Education and Training Center“ oder an einer Universität. Und: Sie werden monatlich bis zum Ende der Ausbildung unterstützt. Ein Weg, den Dingetu auch gerne gehen würde.
Bild: Endlich wieder fröhlich sein und unbeschwert spielen: Dingetu Abebe lebt als Waisenkind in Abdii Borii. Foto: MfM / Kwiotek
Fakten: Sportler gegen Hunger und MfM
- „SgH“ baut derzeit in Ijaji/ Illu Gelan seine 4. Schule und in Awedi Gulfa eine kleinstädtische Wasserversorgung. Die OV/KSB-Aktion engagiert sich damit gezielt in den Bereichen Bildung und Wasser.
- Die Stiftung „Menschen für Menschen“, die seit 1984 von SgH bei der Arbeit in Äthiopien unterstützt wird, hat aber noch weitere Schwerpunktbereiche.
- Bei der Verleihung des Karlheinz-Böhm-Preises und der Gala zum 40-jährigen Bestehen von MfM in München erhielt die SgH-Delegation Einblicke in die weiteren MfM-Bereiche Gesundheit und Einkommen sowie in die Arbeit im Kinderheim Abdii Borii.
- Über diese Projekte gibt es in der SgH-Saison 2021/22 eine dreiteilige Serie. Die ersten zwei Folgen drehten sich um Augenoperationen (Katarakt/grauer Star) für die ländliche Bevölkerung und die Förderung von Frauen. In der dritten Folge geht’s um das Kinderheim Abdii Borii in Mettu.
Dingetu Abebe (7) lebt im MfM-Kinderheim in Mettu/Äthiopien – und er erzählt seine bewegende Geschichte.
Carsten Boning
Dingetu Abebe ist erst sieben Jahre alt, und er hat schon so viel erlebt, so viel erleben müssen. Die Obdachlosigkeit, den Tod der Mutter, dazu noch eine schwere Krankheit – drei Schicksalsschläge, die der kleine äthiopische Junge zu verkraften hatte. „Die ganze Geschichte von Dingetu ist erstaunlich und aufregend – und in manchen Teilen auch bestürzend“, erzählt Abede Wolde. Er arbeitet für die Karlheinz-Böhm-Stiftung „Menschen für Menschen“ (MfM) und leitet das Kinderheim Abdii Borii in der Kleinstadt Mettu. Dort lebt Dingetu Abebe – und dort erzählt er seine Geschichte.
„Meine Mutter bettelte. Wenn sie kein Geld bekam oder nicht genug, aber Hunger hatte, bin ich losgegangen und habe gebettelt“, sagt Dingetu: „Geschlafen haben wir meistens in einem Zelt. Hat es geregnet, ist es auf uns beide getropft.“ Als die Mutter stirbt, hält Dingetu ihre Hand.
Danach schlägt sich der Junge auf der Straße durch. Seine Schwester war ebenfalls gestorben, seine Tante auch. „Nur mein Papa lebt noch“, sagt Dingetu. Wo? Das weiß er nicht. Die Polizei greift ihn auf und bringt ihn ins Kinderheim Abdii Borii. „Eine Erzieherin des Heims fragte, ob ich hier leben möchte. Ich durfte mitessen und mitspielen. Die Erzieherin mochte mich und ich mochte sie“, erzählt Dingetu: „Jetzt ist alles gut.“
Abdii Borii – zu deutsch „Hoffnung auf Morgen“. Bereits seit 1996 gibt’s die Einrichtung von MfM. Abede Wolde sagt: „Das Waisenhaus ist eine Einrichtung für Kinder ohne Hoffnung. Die meisten haben keine Verwandten. Sogar nachzuvollziehen, wer die Eltern waren, ist schwierig. Abdii Borii ist ein Hoffnungsschimmer für diese Kinder. Ohne Abdii Borii wären die Chancen für die Kinder verschwindend gering.“ Das Heim sei „wichtig für diese Region“.
Dingetu hat sich gut eingelebt. Ein Prozess, der auch einen schweren Rückschlag beinhaltete. „Eines Tages bin ich beim Fußballspielen umgefallen“, sagt Dingetu: „Ich dachte ich sei gefoult worden. Ich konnte nicht mehr laufen.“ Es war aber kein Foul, sondern Tuberkulose in der Wirbelsäule. Der Junge hatte heftige Schmerzen, war tagelang ans Bett gefesselt. „Sie haben mir eine Schüssel neben das Bett gestellt, um zur Toilette zu gehen“, erzählt Dingetu, dessen Zustand sich immer mehr verschlechterte. MfM sorgte dafür, dass der kleine Patient in ein Krankenhaus nach Addis Abeba gebracht und dort einen Monat lang erfolgreich behandelt wurde. Inzwischen ist Dingetu wieder fit und besucht die Vorschule.
Er ist aktuell eins von rund 150 Kindern im Alter von bis zu 17 Jahren, die in Abdii Borii leben. Viele von den Kindern lebten unter unzumutbaren Umständen und wurden vor Krankenhäusern, Behörden oder Privathäusern ausgesetzt. Seit 1996 haben mehr als 350 Waisen und Halbwaisen in dem Kinderheim ein Zuhause gefunden und die Möglichkeit erhalten, sich auf ein eigenständiges Leben vorzubereiten.
Für die kleineren Kinder gibt es neben dem Besuch des Kindergartens oder der Schule auch eine Hausaufgabenbetreuung und je nach Bedarf auch Nachhilfeunterricht. Die größeren Kinder und Jugendliche arbeiten im heimeigenen Landwirtschaftsbetrieb mit, damit sie so früh wie möglich mit den Herausforderungen eines modernen und effektiven Landwirtschaftsbetriebes vertraut werden. Durch den Betrieb kann sich das Abdii Borii komplett mit Gemüse, Obst, Milch und Eiern selbst versorgen. Daneben können die Kinder und Jugendlichen in der heimeigenen Holzwerkstatt mitarbeiten.
Für die älteren Heimwohner beginnt im Alter von 17 Jahren die Phase der langsamen Entlassung in die Selbstständigkeit. Die Jugendlichen leben dann außerhalb des Heims und erhalten entweder in Mettu eine weiterführende Bildung, eine Ausbildung in einem „Technical Vocational Education and Training Center“ oder an einer Universität. Und: Sie werden monatlich bis zum Ende der Ausbildung unterstützt. Ein Weg, den Dingetu auch gerne gehen würde.
Bild: Endlich wieder fröhlich sein und unbeschwert spielen: Dingetu Abebe lebt als Waisenkind in Abdii Borii. Foto: MfM / Kwiotek
Fakten: Sportler gegen Hunger und MfM