Schulbau

Wobe geht sogar barfuß zur Schule

Engagierte SchĂŒler trifft man in nahezu allen KlassenrĂ€umen. Foto: KlĂ€ne

18-JĂ€hriger besucht erst die vierte Klasse in Kelecha Jibat / Lange Zeit brauchten ihn seine Eltern zu Hause

Von Volker KlÀne

Kelecha Jibat. Wobe Taddse zĂ€hlt zu den Ă€lteren SchĂŒlern in Kelecha Jibat. Seine Schullaufbahn ist fĂŒr seine 18 Jahre aber verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig kurz. Er besucht erst die vierte Klasse.Wobe erklĂ€rt, er habe erst spĂ€t zur Schule gehen können. Seine Eltern hĂ€tten ihn lange Zeit zu Hause bei der Feldarbeit gebraucht, weil seine beiden Ă€lteren Geschwister nicht mehr zu Hause wohnten. Insbesondere in der Erntezeit war an Schule nicht zu denken. Jetzt gehe er schon gut drei Jahre regelmĂ€ĂŸig zum Unterricht, sagt Wobe. Er sei „sehr glĂŒcklich“ darĂŒber: „Ich mag lernen. Aber ich hatte vorher keine Chance.“

Wobe ist beileibe kein Einzelfall. Nach wie vor haben viele MĂ€dchen und Jungen keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Die Stiftung „Menschen fĂŒr Menschen“ (MfM) geht davon aus, dass es 40 Prozent der Kinder so ergeht. Um diesen Missstand zu bekĂ€mpfen, hat die Organisation des verstorbenen GrĂŒnders Karlheinz Böhm seit 1981 schon 379 Schulen gebaut. Einen Neubau strebt sie auch in Kelecha Jibat an – komplett finanziert durch die OV/KSB Aktion „Sportler gegen Hunger“.

Auch Wobe wird davon profitieren. Die Familie des 18-JĂ€hrigen lebt wie die meisten Menschen in der Projektregion Dano von Ackerbau und Viehzucht. Er und sein Bruder könnten spĂ€ter das Land der Eltern erben, berichtetWobe. Seine Eltern sĂ€hen es aber lieber, wenn jemand anderes die Arbeit ĂŒbernehme, damit er eine Ausbildung machen könne. Bereits jetzt machten sie vieles allein, auf die Tiere passe ein Knecht auf, solange er in der Schule sei, sagt Wobe.

Wenn er die Chance bekomme, wĂŒrde er gerne Lehrer oder Doktor, sagt Wobe. Das geben viele SchĂŒler an. Denn Lehrer und Arzt gehören oft zu den einzigen Berufen, die sie kennen. Wobe will bis zur zwölften Klasse weitermachen. Dann wĂ€re er 26. Er trĂ€umt davon zu studieren, will dann aber in seiner Heimat arbeiten. „Ich liebe mein Land und die Leute“, sagt er.

Viele SchĂŒler in Kelecha Jibat hoffen auf eine bessere Zukunft. „Nur wer lesen und schreiben gelernt hat, kann sich aus eigener Kraft aus der Armut befreien“, hatte Karlheinz Böhm immer wieder propagiert. Aber vor allem auf dem Land sah er sich einem eklatanten Bildungsnotstand gegenĂŒber. 2008 verstĂ€rkte MfM das Engagement und grĂŒndete die Initiative ABC 2015. Ziel ist es, Hunderttausenden Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen. Allein 2013 stellte die Stiftung 25 neue Schulen fertig. Davon profitieren mehr als 32.000 Kinder und Jugendliche – was in etwa der Einwohnerzahl Vechtas entspricht.

Viele Kinder nehmen einen langen Schulweg in Kauf. Wobe legt gut eine Stunde zu Fuß zurĂŒck – ohne Schuhe. Auch in der Schule lĂ€uft er barfuß herum. Er habe zwar Schuhe, sagt er, trage sie aber nur, wenn es unbedingt nötig sei, um sie zu schonen. Allerdings ist er so anfĂ€llig fĂŒr Sandflöhe, die ĂŒberall lauern. Denn die KlassenrĂ€ume haben nur Sandböden. Die Flöhe legen ihre Eier unter der Haut der Kinder ab. Der Bereich kann sich entzĂŒnden, an den Zehen und FĂŒĂŸen entstehen Beulen. Es brennt und juckt. Nur unter Schmerzen können die Eier entfernt werden.

Wobe sagt selbst, dass die Schule nicht komfortabel ist. Man muss eher von katastrophalen Bedingungen sprechen. Die RĂ€ume sind ĂŒberfĂŒllt und dunkel. Es gibt kein Wasser, keine adĂ€quaten sanitĂ€ren Anlagen. Aber den SchĂŒlern ist es wichtig, sich zu bilden. Wobe lernt am liebsten Englisch. Dass er in einer Klasse mit 69 meist viel jĂŒngeren MitschĂŒlern sitzt, stört ihn ĂŒberhaupt nicht. So könne er jedenfalls den jĂŒngeren helfen.

FAKTEN
– Die OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“ baut ĂŒber die Stiftung „Menschen fĂŒr Menschen“ erstmals eine eigene Schule in Äthiopien: Aus den SgH-Erlösen 2015 und 2016 fließen Spenden zweckgebunden in den Neubau dieser Schule.
– Der gesamte Komplex fĂŒr 1500 SchĂŒler wird mit Kosten von 246.000 Euro veranschlagt; der Bau der SgH Schule beginnt Mitte 2015 und soll 2016 fertig sein.
– Die Schule befindet sich in Kelecha Jibat. Das Dorf liegt 235 Kilometer sĂŒdwestlich der Hauptstadt Addis Abeba im Projektgebiet Dano.
– Das Gebiet ist 659 Quadratkilometer groß und befindet sich auf einem Hochplateau mit einigen HĂŒgeln.
– 105.430 Einwohner leben ĂŒberwiegend von Ackerbau und Viehzucht, was zum Überleben kaum ausreicht.