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„Der Körper ist ein absolutes Wunderwerk“

Ironman Christoph Hugenberg finisht in Roth: Beim Comeback nach 24 Jahren nur 20 Minuten langsamer

Von Franz-Josef Schlömer

Holdorf/Roth. „Alter ist keine Entschuldigung für irgendetwas.“ Diesen OV-Titel hängte sogar die Ehefrau eines heimischen Bezirksliga- Trainers an ihr Küchenbrett, um ihrem Gatten mögliche Ausflüchte zur Bequemlichkeit zu verbieten. Vor exakt einem Jahr hatte Christoph Hugenberg diesen Ausspruch gemacht: Der frühere Triathlet aus Holdorf, 1993 der erste Hawaii- Finisher aus dem Kreis Vechta, befand sich da auf dem besten Wege, nach über 20-jähriger Wettkampfpause im Alter von 50 Jahren wieder einen Ironman zu bestreiten – auch für „Sportler gegen Hunger“. Die Kilos waren gepurzelt, die Trainingswerte glänzend. Eine Schambeinentzündung stoppte im letzten Moment sein Comeback beim Ironman Maastricht.

Alter und Verletzung ließ Christoph Hugenberg nicht als Entschuldigung gelten, sein Comeback fallen zu lassen. Im Januar startete er ganz von vorne mit dem Training, am vergangenen Sonntag realisierte er sein Projekt: In 9:31:27 Stunden finishte der inzwischen 51-Jährige bei der Challenge Roth und belegte nach 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen den vierten Platz in der Altersklasse M50, was gleichzeitig Platz 122 in der Gesamtwertung von rund 3500 Einzelstartern bedeutete.

Mehr noch: „24 Jahre später nur 20 Minuten langsamer – und das bei dieser Bullenhitze: Da mache ich einen Haken drunter“, strahlt Hugenberg. Klarer Fall: Vor 24 Jahren hatte er sich an gleicher Stelle als Leistungssportler für den Ironman Hawaii qualifiziert, jetzt mischte er nach einer Pause von über zwei Jahrzehnten als Oldie auf fast identischem Niveau mit. „Wir haben von unserem Herrgott einen Körper gekriegt, ein absolutes Wunderwerk. Aber es kommt darauf an, was man daraus macht“, erzählt er. Man könne essen, genießen, sich gehen lassen, bequem werden. „Es ist aber unglaublich, was man durch Ernährung, Disziplin, Willen und Sport erreichen kann. Aber man muss das mit einer Konsequenz auch täglich durchziehen.“

Seine Motivation zum Comeback basierte auch auf eine Wette mit Mitarbeitern. Als Vorstand der Roto Dach- und Solartechnologie in Bad Mergentheim (Baden-Württemberg), wo er auch wohnt, trat Christoph Hugenberg in Roth als Solist intern gegen zwei Staffeln seines Unternehmens an, der Verlierer musste pro Minute Rückstand zehn Euro spenden. Der Einzelkämpfer siegte in 9:31:27 h, die Roto- Teams finishten nach 10:48:48 h bzw. 12:18:47 h. Insgesamt 244 Minuten zurück – das waren 2440 Euro. Durch Spenden von Zulieferfirmen, die wie in den vergangenen Jahren den sportlichen Wettstreit ihres Partnerunternehmens unterstützten, kamen am Ende wieder unglaubliche 27.000 Euro zusammen.

Dieser Erlös wird wieder gedrittelt: Neben den Kindergärten am Firmenort und der Elfriede- Frank-Stiftung des Unternehmens erhält auch die OV/KSBAktion „Sportler gegen Hunger“ 9000 Euro – aus alter Verbundenheit des Triathleten mit dem Heimatsport im Kreis Vechta. Bevor der Holdorfer in Roth in das emotionale Nostalgie-Bad vor 270.000 Zuschauern abtauchen konnte, stand konsequentes Training an. 190 km Schwimmen, 5200 km Radfahren, 1500 km Laufen – so lauteten seine Stats vom 1. Januar bis zum Wettkampf. Der Job blieb Nummer eins. Vorm Job von 5.00 bis 7.00 Uhr Training, nach dem Job abends ab 19.00 Uhr. „Es gibt schöne Tage morgens um fünf.

Sonnenaufgang, frische Luft. Aber es gibt auch andere Tage, Dunkelheit, Kälte, Regen“, merkt er an, „für einen Zeitraum X kann man das alles investieren.“ Im Wettkampf beendete er das Schwimmen nach fast exakt einer Stunde (1:00:07), gerade mal zwei Minuten mehr als früher. Dabei lief’s katastrophal: Dreimal verlor er im Gerangel Badekappe mit Brille, nach einem Schlag auf die Wade musste er an den Rand des Rhein-Main-Donau-Kanals, um den Krampf zu lösen. „Beim Training im Heidesee war ich zuletzt vier Minuten schneller.“

Beim Radfahren hielt er einen Schnitt von 37,1 km/h und war in 4:51 h sogar eine Minute schneller als bei seiner Hawaii- Qualifikation 1993. Zur Tortur geriet der Marathon in 3:34:05 h. „Ich mag’s ja kalt, aber es wurden über 30 Grad. Ein Wetter, um im Biergarten zu sitzen. Beim Laufen wird’s richtig doof, das war hart, sehr hart. Der Akku war trotz aller Vorsicht leer“, erzählt Christoph Hugenberg, der in der Woche danach schon wieder recht entspannt war.

Die 20 Minuten zu früher verlor er allein unter der brennenden Sonne beim Marathonlauf. Aber: Über zwei Jahrzehnte Pause, dann 24 Jahre später nur 20 Minuten langsamer – das Alter liefert keine Entschuldigung für irgendetwas, denn der Körper ist ein absolutes Wunderwerk.

Bild: Gänsehaut-Feeling: Christoph Hugenberg fährt hier mit einem Lächeln durch die Menschengassen. Foto: Roto