Schulbau Start

77 SchĂŒler in einem Klassenzimmer

Die vier „Sportler gegen Hunger“-Schulen in Äthiopien stehen in Dano, Wore Illu und Illu Gelan. In den Projektgebieten sind die Probleme und BedĂŒrfnisse ganz unterschiedlich.

Von Carsten Boning

MĂŒnchen. Seit 1981 ist die Stiftung „Menschen fĂŒr Menschen“ (MfM) in Äthiopien tĂ€tig, und seit 1984 wird die vom frĂŒheren Schauspieler Karlheinz Böhm gegrĂŒndete Organisation bei ihrer Arbeit am Horn von Afrika von der OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“ unterstĂŒtzt. Die Stiftung legt dabei Wert auf eine enge Verzahnung ihrer verschiedenen Maßnahmen in den fĂŒnf Bereichen Landwirtschaft und ErnĂ€hrung, Wasser und Hygiene, Bildung, Gesundheit sowie Gesellschaftliche Entwicklung und Einkommen. Je nach Region sind die Herausforderungen und BedĂŒrfnisse ganz unterschiedlich. MfM hat derzeit zehn Projektgebiete – drei davon sind fĂŒr die VEC-Sportler besonders interessant, weil dort die von SgH finanzierten Schulen stehen. Ein Überblick:

Projektgebiet Wore Illu
Wore Illu bildet zusammen mit Borena, Legehida und Wogdi das Quartett der nördlichen Projektgebiete. Es sind Hochplateau-Landschaften. Abseits der staubigen Allwetterstraßen schießen SteilhĂ€nge hinab, man erreicht Höhen von bis zu 2900 Metern. Wore Illu liegt 295 km nordöstlich von Addis Abeba in der South Wollo Zone. Das Projektgebiet (seit 2011) ist 683 Qua-dratkilometer groß, knapp 90 Prozent der 110.000 Einwohner leben in lĂ€ndlichen Regionen. Der Hauptort ist Wore Illu Town – und dort steht auch die neue „Wore Illu Higher Secondary School“ fĂŒr ĂŒber 2000 SchĂŒler der Klassen neun bis zwölf. Es ist die 450. Schule in der MfM-Historie sowie die 3. SgH-Schule, die im Sommer fertiggestellt und vor einigen Wochen nach der langen Corona-Zwangspause in Betrieb genommen wurde.

Die Menschen in Wore Illu, die in kleinen Dörfern leben, sind arm. Es regnet selten, der Boden ist trocken und karg, der Waldbestand stark zurĂŒckgegangen. Wiederaufforstung haben die Bauern nie gelernt. Durch den Mangel an BĂ€umen verliert der Boden an Schutz. Die Folgen sind dramatisch: Regnet es in der trockenen Region, kann der Boden das Wasser nicht aufnehmen, es entstehen verheerende Überschwemmungen. Dabei wird die oberste, fruchtbarste Erdschicht weggespĂŒlt, der Boden wird noch ertragloser. „Doch das Potenzial ist groß“, teilt MfM mit. Neue Brunnen, Schulungen in verbesserten Anbaumethoden, Wiederaufforstung und holzsparende Öfen verbessern StĂŒck fĂŒr StĂŒck die Lebensbedingungen. Und ganzjĂ€hrig wasserfĂŒhrende FlĂŒsse ermöglichen bewĂ€sserten GemĂŒseanbau.

Projektgebiet Dano
200 Kilometer sĂŒdwestlich von Addis Abeba, in der West Shoa Zone, liegt das 659 Quadratkilometer große Gebiet Dano, in dem MfM seit 2013 ein integriertes lĂ€ndliches Entwicklungsprojekt durchfĂŒhrt. In Dano stehen auch die beiden ersten SgH-Schulen; die Higher Primary Schools in Kelecha Jibat und Dobi, die im November 2017 bzw. Juni 2019 eingeweiht wurden. Die 105 000 Einwohner von Dano leben ĂŒberwiegend von Ackerbau und Viehzucht, es reicht aber zum Überleben kaum aus. Immerhin: Der Westen ist fruchtbarer als die nördlichen Projektgebiete. Neue Saaten fruchten schnell. Theoretisch. Und die Praxis? Schlechtes Saatgut und fehlendes Wissen ĂŒber effektive Landwirtschaft halten die Menschen in Mangel- und UnterernĂ€hrung. MfM trainiert die Familien in verbesserten landwirtschaftlichen Anbaumethoden und ertragreicherem Saatgut.

Ebenfalls wichtig in Dano: eingezĂ€unte Brunnen fĂŒr sauberes Trinkwasser. Es gibt noch zu viele ungeschĂŒtzte Wasserlöcher mit verschmutztem Wasser, aus denen auch das Vieh trinkt. Um das Einkommen der Familien zu verbessern, gibt’s zudem Imker-Kurse. Die alten Methoden lieferten einen geringen Ertrag und waren zudem fĂŒr die Bauern aufgrund der vielen Stiche lebensgefĂ€hrlich. Moderne Bienenstöcke verbessern die QualitĂ€t und QuantitĂ€t des Honigs und die Menschen werden nicht mehr so oft gestochen.

Projektgebiet Illu Gelan
Illu Gelan ist der Neuling in der MfM-Familie. Seit diesem Jahr ist die Böhm-Stiftung in dem 423 Quadratkilometer großen Bezirk mit 18 Gemeinden und rund 86 000 Menschen aktiv. Illu Gelan grenzt an Dano und gehört damit ebenso zur West Shoa Zone. Auch hier sind die Böden stark erodiert und ausgelaugt. Die Ernten sind schlecht – auch weil die Bauern fĂŒr ihre Feldarbeiten veraltetes GerĂ€t sowie ĂŒberholte Techniken verwenden. Ein weiteres Problem: Nur 21 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die hĂ€ufigsten Krankheiten in Illu Gelan sind Atemwegserkrankungen, Arthritis, LungenentzĂŒndung und Durchfall. Die Behandlungsmöglichkeiten in den vorhandenen, schlecht ausgestatteten medizinischen Einrichtungen sind begrenzt.

Die 33 Schulen in Illu Gelan sind aus Holz und Lehm gebaut und befinden sich in einem schlechten Zustand. SchulbĂŒcher sind kaum vorhanden. In Ijaji, mit 16.000 Einwohnern der Hauptort von Illu Gelan, entsteht gerade eine neue Higher Secondary School fĂŒr ĂŒber 2000 SchĂŒler der Klassen neun und zehn. Es ist vierte Schule, die von SgH finanziert wird. MfM kalkuliert mit Kosten von 350 000 Euro. Auf der PrioritĂ€tenliste der Ă€thiopischen Behörden stand die Schule in Ijaji weit oben. Denn: In der alten Ijaji HSS sitzen im Schnitt 77 (!) Kinder in einem Klassenraum.

Bild: Zehn laufende Projekte von „MfM“: Die nachhaltig ausgerichteten Entwicklungsprojekte laufen ĂŒber zwölf bis 15 Jahre. Danach zieht sich die Stiftung operativ zurĂŒck und ĂŒbergibt die Verantwortung an die lokalen Gemeinden. 14 Projektgebiete sind bereits abgeschlossen. Foto: MfM