Die 28-Jährige unterrichtet in Kelecha Jibat / „Ich gebe mein Bestes,um den Schülern eine gute Ausbildung zu geben“
Von Volker Kläne
Kelecha Jibat. Misgane Gidisa hat eine motivierende Art zu unterrichten. Sie erklärt, gestikuliert, bindet die Schüler immer wieder mit ein, lässt sie an der Tafel rechnen. Sie weckt Erinnerungen an engagierte Lehrerinnen, die man früher selbst in der Schule hatte; diejenigen, die ihren Job wirklich geliebt haben. Mit dem Unterschied, dass Misganes Klassenraum an der Schule in Kelecha Jibat nicht zu vergleichen ist mit dem Komfort deutscher Klassenzimmer.
Vor Misgane sitzen Schüler eng an eng in den Bänken. Der Raum ist völlig überfüllt. Er ist dunkel, weil kaum Licht durch die kleinen Fenster in den Wänden aus Holz und Lehm dringt. Die Luft ist stickig bei hohen Temperaturen. Eine Wellblechplatte wurde an der Wand montiert, um ein Loch abzudichten. Die Häuser werden von Termiten zerfressen. Die Mädchen und Jungen halten ihre Füße in den Sandboden. Wer jetzt daran denkt, wie er einst in einem Klassenraum einer deutschen Schule saß und stöhnte, wenn ihn die Sonne blendete, er das Ende der Stunde herbeisehnte, weil er sich erschöpft fühlte, der kommt sich nachträglich lächerlich vor. Denn die Kinder in Kelecha Jibat lernen unter schwierigen Bedingungen – und sie machen es gerne. Tag für Tag.
Und vorne steht diese motivierte Lehrerin und unterrichtet Mathe. Sie hat die Gruppe der Stiftung „Menschen für Menschen“, die an diesem Tag in Kelecha Jibat zu Gast ist, beeindruckt. 21 Lehrer unterrichten an der Schule in Kelecha Jibat, welche die OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“ neu bauen will (siehe Fakten). Misgane ist eine von nur vier Frauen. Es seien so wenige, sagt der Schulleiter Zekios Dida (28), weil sich der Ort in einer abgelegenen Gegend befinde. Kelecha Jibat sei daher nicht sonderlich attraktiv zum Hinziehen, räumt er ein. Die nächste geteerte Straße liegt gut anderthalb Autostunden entfernt. Der direkte Weg von Kelecha Jibat nach Ijaji,woMfM eine Niederlassung hat, wurde erst vor wenigen Tagen instandgesetzt. Es ist ein holprigerWeg, nur mit Geländewagen zu meistern.
Misgane wollte nach Kelecha Jibat, sie wollte diesen Job. „Ich bin sehr glücklich, hier zu sein. Es war meine Wahl“, sagt die 28-Jährige. Als Frau habe sie hart darum kämpfen müssen. Viele Frauen in Äthiopien müssen in der von Männern dominierten Gesellschaft traditionelle Rollen ausfüllen. Sie werden früh verheiratet, bekommen viele Kinder, kümmern sich um den Haushalt, holen Feuerholz, schleppen tagtäglich Wasser in prall gefüllten Kanistern heran und legen dabei Kilometer zurück. Misgane führt ein anderes Leben. Sie hat erst im vergangenen Jahr geheiratet. Ihr Mann lebt aber nicht bei ihr. Er unterrichtet als Lehrer in einem Dorf in der Nähe. Jeden Freitag lege er einen dreistündigen Fußmarsch hin, um sie zu sehen, und müsse den selben Weg am Sonntag zurückgehen, sagt Misgane und lacht. Er werde irgendwann zu ihrer Schule wechseln.
Mathe und Staatsbürgerkunde sind ihre Fächer. Aber in der ersten Klasse muss sie alle Fächer abdecken. „Ich gebe mein Bestes,um den Schülern eine gute Ausbildung zu geben“, erklärt Misgane. „Ich bereite mich gut vor. So, dass sie es verstehen können. Wenn sie es nicht verstehen, können sie mich fragen. Das ist kein Problem.“ Die Schüler hörten ihr gut zu, sagt sie. Sie wolle, dass die Kinder intelligent werden. Ihre eigenen Eltern seien stolz darauf, dass sie es zu etwas gebracht habe, sagtMisgane. Sie sei das Vorbild der Familie. Auch ihre jüngeren Brüder und Schwestern gingen zur Schule.
So gerne sie unterrichtet, die Bedingungen in Kelecha Jibat seien nicht komfortabel für Lehrer, sagt Misgane. Bücher seien knapp, eine Bibliothek gebe es nicht, weil diese gerade als Klassenraum genutzt werden müsse. Sie prangert an, dass es nur zwei verkommene Latrinen für die 1502 Schüler und 21 Lehrer gibt. „Es ist nicht gut für uns, sie zu benutzen.“ Außerdem gebe es kein Wasser an der Schule. Für Schüler und Lehrer sei es schwierig, etwas zu holen. Die Klassenräume seien zudem zu voll, was den Unterricht erschwere, sagtMisgane.
1300 Birr zahlt ihr der Staat im Monat. Das sind umgerechnet etwas mehr als 50 Euro. Manchmal sei das nicht genug, erklärt sie. Immerhin kann sie kostenlos in einer Unterkunft am Rande der Schule wohnen. Sie hat sich dort einen kleinen Raum schön hergerichtet, die Wände dekoriert. Sie schläft in einer Ecke auf einer Matratze. Ihr Hobby ist Häkeln. Zurzeit arbeitet sie an einer farbenfrohen Decke. Ihr Handwerk versteht sie. Kinder wolle sie noch nicht bekommen, verrät Misgane, das könne noch warten.
Sie glaubt fest daran, dass sich die Dinge an ihrer Schule mit MfM verbessern werden – und mit SgH.WerMisgane erlebt, im Unterricht und außerhalb davon, der versteht, was Schulleiter Zekios Dida meint, wenn er über seine Kollegen sagt: „Mit all diesen Leuten kann ich in der Zukunft erfolgreich sein.“
FAKTEN
– „Sportler gegen Hunger“ baut über die Stiftung „Menschen für Menschen“ erstmals eine eigene Schule in Äthiopien: Aus den SgHErlösen 2015 und 2016 fließen Spenden zweckgebunden in den Neubau.
– Der gesamte Komplex für 1500 Schüler wird mit Kosten von 246.000 Euro veranschlagt; der Bau der SgHSchule beginnt Mitte 2015 und soll 2016 fertig sein.
– Die Schule befindet sich in Kelecha Jibat. Das Dorf liegt 235 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Addis Abeba im Projektgebiet Dano.
– Das Gebiet ist 659 Quadratkilometer groß. Die 105430 Einwohner leben von Ackerbau und Viehzucht, was zum Überleben kaum ausreicht.
Bild: So wird’s gemacht: Lehrerin Misgane gibt Hilfestellung. Foto: Kläne
Die 28-Jährige unterrichtet in Kelecha Jibat / „Ich gebe mein Bestes,um den Schülern eine gute Ausbildung zu geben“
Von Volker Kläne
Kelecha Jibat. Misgane Gidisa hat eine motivierende Art zu unterrichten. Sie erklärt, gestikuliert, bindet die Schüler immer wieder mit ein, lässt sie an der Tafel rechnen. Sie weckt Erinnerungen an engagierte Lehrerinnen, die man früher selbst in der Schule hatte; diejenigen, die ihren Job wirklich geliebt haben. Mit dem Unterschied, dass Misganes Klassenraum an der Schule in Kelecha Jibat nicht zu vergleichen ist mit dem Komfort deutscher Klassenzimmer.
Vor Misgane sitzen Schüler eng an eng in den Bänken. Der Raum ist völlig überfüllt. Er ist dunkel, weil kaum Licht durch die kleinen Fenster in den Wänden aus Holz und Lehm dringt. Die Luft ist stickig bei hohen Temperaturen. Eine Wellblechplatte wurde an der Wand montiert, um ein Loch abzudichten. Die Häuser werden von Termiten zerfressen. Die Mädchen und Jungen halten ihre Füße in den Sandboden. Wer jetzt daran denkt, wie er einst in einem Klassenraum einer deutschen Schule saß und stöhnte, wenn ihn die Sonne blendete, er das Ende der Stunde herbeisehnte, weil er sich erschöpft fühlte, der kommt sich nachträglich lächerlich vor. Denn die Kinder in Kelecha Jibat lernen unter schwierigen Bedingungen – und sie machen es gerne. Tag für Tag.
Und vorne steht diese motivierte Lehrerin und unterrichtet Mathe. Sie hat die Gruppe der Stiftung „Menschen für Menschen“, die an diesem Tag in Kelecha Jibat zu Gast ist, beeindruckt. 21 Lehrer unterrichten an der Schule in Kelecha Jibat, welche die OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“ neu bauen will (siehe Fakten). Misgane ist eine von nur vier Frauen. Es seien so wenige, sagt der Schulleiter Zekios Dida (28), weil sich der Ort in einer abgelegenen Gegend befinde. Kelecha Jibat sei daher nicht sonderlich attraktiv zum Hinziehen, räumt er ein. Die nächste geteerte Straße liegt gut anderthalb Autostunden entfernt. Der direkte Weg von Kelecha Jibat nach Ijaji,woMfM eine Niederlassung hat, wurde erst vor wenigen Tagen instandgesetzt. Es ist ein holprigerWeg, nur mit Geländewagen zu meistern.
Misgane wollte nach Kelecha Jibat, sie wollte diesen Job. „Ich bin sehr glücklich, hier zu sein. Es war meine Wahl“, sagt die 28-Jährige. Als Frau habe sie hart darum kämpfen müssen. Viele Frauen in Äthiopien müssen in der von Männern dominierten Gesellschaft traditionelle Rollen ausfüllen. Sie werden früh verheiratet, bekommen viele Kinder, kümmern sich um den Haushalt, holen Feuerholz, schleppen tagtäglich Wasser in prall gefüllten Kanistern heran und legen dabei Kilometer zurück. Misgane führt ein anderes Leben. Sie hat erst im vergangenen Jahr geheiratet. Ihr Mann lebt aber nicht bei ihr. Er unterrichtet als Lehrer in einem Dorf in der Nähe. Jeden Freitag lege er einen dreistündigen Fußmarsch hin, um sie zu sehen, und müsse den selben Weg am Sonntag zurückgehen, sagt Misgane und lacht. Er werde irgendwann zu ihrer Schule wechseln.
Mathe und Staatsbürgerkunde sind ihre Fächer. Aber in der ersten Klasse muss sie alle Fächer abdecken. „Ich gebe mein Bestes,um den Schülern eine gute Ausbildung zu geben“, erklärt Misgane. „Ich bereite mich gut vor. So, dass sie es verstehen können. Wenn sie es nicht verstehen, können sie mich fragen. Das ist kein Problem.“ Die Schüler hörten ihr gut zu, sagt sie. Sie wolle, dass die Kinder intelligent werden. Ihre eigenen Eltern seien stolz darauf, dass sie es zu etwas gebracht habe, sagtMisgane. Sie sei das Vorbild der Familie. Auch ihre jüngeren Brüder und Schwestern gingen zur Schule.
So gerne sie unterrichtet, die Bedingungen in Kelecha Jibat seien nicht komfortabel für Lehrer, sagt Misgane. Bücher seien knapp, eine Bibliothek gebe es nicht, weil diese gerade als Klassenraum genutzt werden müsse. Sie prangert an, dass es nur zwei verkommene Latrinen für die 1502 Schüler und 21 Lehrer gibt. „Es ist nicht gut für uns, sie zu benutzen.“ Außerdem gebe es kein Wasser an der Schule. Für Schüler und Lehrer sei es schwierig, etwas zu holen. Die Klassenräume seien zudem zu voll, was den Unterricht erschwere, sagtMisgane.
1300 Birr zahlt ihr der Staat im Monat. Das sind umgerechnet etwas mehr als 50 Euro. Manchmal sei das nicht genug, erklärt sie. Immerhin kann sie kostenlos in einer Unterkunft am Rande der Schule wohnen. Sie hat sich dort einen kleinen Raum schön hergerichtet, die Wände dekoriert. Sie schläft in einer Ecke auf einer Matratze. Ihr Hobby ist Häkeln. Zurzeit arbeitet sie an einer farbenfrohen Decke. Ihr Handwerk versteht sie. Kinder wolle sie noch nicht bekommen, verrät Misgane, das könne noch warten.
Sie glaubt fest daran, dass sich die Dinge an ihrer Schule mit MfM verbessern werden – und mit SgH.WerMisgane erlebt, im Unterricht und außerhalb davon, der versteht, was Schulleiter Zekios Dida meint, wenn er über seine Kollegen sagt: „Mit all diesen Leuten kann ich in der Zukunft erfolgreich sein.“
FAKTEN
– „Sportler gegen Hunger“ baut über die Stiftung „Menschen für Menschen“ erstmals eine eigene Schule in Äthiopien: Aus den SgHErlösen 2015 und 2016 fließen Spenden zweckgebunden in den Neubau.
– Der gesamte Komplex für 1500 Schüler wird mit Kosten von 246.000 Euro veranschlagt; der Bau der SgHSchule beginnt Mitte 2015 und soll 2016 fertig sein.
– Die Schule befindet sich in Kelecha Jibat. Das Dorf liegt 235 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Addis Abeba im Projektgebiet Dano.
– Das Gebiet ist 659 Quadratkilometer groß. Die 105430 Einwohner leben von Ackerbau und Viehzucht, was zum Überleben kaum ausreicht.
Bild: So wird’s gemacht: Lehrerin Misgane gibt Hilfestellung. Foto: Kläne