Schulbau Start

Bildung als SchlĂĽssel im Kampf gegen Armut

MfM-Vorstand Dr. Sebastian Brandis spricht zum Start der 35. SgH-Saison ĂĽber die Schulen in Kelecha Jibat und Dobi

Von Carsten Boning

Vechta. Ein kurzer Blick zurück: Es ist der 28. November 2017, ein Dienstag. Ein historischer Tag. Ein Tag, den die Menschen in Kelecha Jibat so noch nie erlebt haben. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, denn es gibt etwas zu feiern. Die neue Higher Primary School wird eingeweiht. Ein großer Moment für die rund 5000 Einwohner – und ein Meilenstein in der Geschichte der OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“. Die Higher Primary School von Kelecha Jibat ist die erste Schule in Äthiopien, die zu 100 Prozent durch SgH-Spendenerlöse finanziert wurde. Die Stiftung „Menschen für Menschen“ (MfM), die seit 1984 von SgH unterstützt wird, hat die Gebäudekomplexe bauen lassen – mit zweckgebundenen Spenden aus den beiden SgH-Wintern 2014/15 und 2015/16.

ZurĂĽck in die Gegenwart. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der emotionalen Zeremonie: Wie läuft’s in Kelecha Jibat? Wie war das erste Jahr an der neuen Higher Primary School? Fragen, fĂĽr die Dr. Sebastian Brandis genau der richtige Ansprechpartner ist. Er ist MfM-Stiftungsvorstand und sagt anlässlich des Starts der 35. SgH-Saison: „Der Alltag an der neuen Schule in Kelecha Jibat hat sich sehr gut entwickelt. Wir spĂĽren, wenn wir vor Ort sind, ein groĂźes Hallo, eine groĂźe Begeisterung.“ FĂĽr die SchĂĽler der 1. bis 8. Klasse gibt’s durch den Neubau viel kĂĽrzere Wege. „Wir registrieren eine viel höhere Beteiligung am Schulalltag, es sind vor allem mehr Mädchen in der Schule“, erzählt Dr. Brandis. Letzteres freut den Vorstand besonders, denn im äthiopischen Alltag sind die Mädchen fĂĽr das Holen von Wasser zuständig – ein beschwerlicher und zeitintensiver Job. Durch den Neubau haben sie nun auch Zeit fĂĽr die Schule. An der Higher Primary School bilden sich auch die ersten AGs. „Theater zum Beispiel“, berichtet Dr. Brandis: „Das ist ein gutes Zeichen, dass sich dort etwas entwickelt.“ Die verbesserte Infrastruktur im Ort durch das neue Schulgebäude ermögliche es der Stiftung zudem, zweimal im Jahr Impf- und Hygiene-Kampagnen durchzufĂĽhren. Dr. Brandis: „Die Schule ist zum besten Punkt geworden, wo alle zusammenkommen.“

In Kelecha Jibat sind also dank der SgH-Spenden die Zeiten vorbei, in denen die Schüler in engen, dunklen und stickigen Klassenräumen unterrichtet wurden. In denen die von Termiten befallenen Gebäude aus Lehm und Holz nach und nach zerfielen. In denen die Böden im Idealfall mit einer sich verhärtenden Mischung aus Kuhdung, Matsch und Asche überzogen wurden, damit die Kinder ihre Füße nicht in den Sand halten mussten, wo Insekten wie Sandflöhe lauerten.

Die enorme Verbesserung der Lernbedingungen, für die Menschen vor Ort ein weiterer Schritt im Kampf gegen Armut und Perspektivlosigkeit, ist auch in Dobi in Arbeit. Dort entsteht gerade die zweite SgH-Schule, eine Higher Primary School für 1000 Schüler. Dobi liegt wie Kelecha Jibat im MfM-Projektgebiet Dano, einer Hochplateau-Region etwa 200 Kilometer westlich von der Hauptstadt Addis Abeba. „Der Schulbau in Dobi läuft sehr gut, die Bauunternehmer sind sehr fit“, berichtet Dr. Brandis. Aus dem Zwischenbericht der Stiftung geht hervor, dass die Mauerwerks- und Dachdeckerarbeiten zu 100 Prozent abgeschlossen sind. Aktuell laufen die Installationen von Türen und Fenstern, die Verputzarbeiten, die Pflasterarbeiten und das Verlegen der Böden. Es folgen die Maler- und Glaserarbeiten sowie die elektrische Installation.

Der Bau in Dobi ist aus den Erlösen der SgH-Winter 2016/17 und 2017/18 bereits voll finanziert. Dr. Brandis schwärmt von der Region Dano, in der MfM seit 2013 tätig ist. „Ein wunderschönes Land, sehr grün“, sagt er. Kaffee und Honig sind dort hoch im Kurs. Und natürlich die Hirseart Teff, das wichtigste Getreide in Äthiopien, die Grundlage für das Fladenbrot. „Die Region hat eine gute Entwicklung vor sich, eine gute Perspektive“, sagt Dr. Brandis. Die Jugendarbeitslosigkeit, ein großes Problem des Landes, ist allerdings auch in Dano ein Thema. Immerhin: „Wir haben zuletzt 400 Jugendliche in Jobs gebracht“, berichtet der MfM-Vorstand. Die neue Higher Primary School ist ein wichtiges Puzzleteil im Fünf-Säulen-Progamm der von Karlheinz Böhm gegründeten Stiftung, bestehend aus Bildung, Gesundheit, Wasser, Landwirtschaft und gesellschaftlicher Entwicklung. Für die äthiopische Regierung war Dobi ein kritischer Punkt, ein Ort mit großer Not in Sachen Schulbedarf. Eine Not, die SgH nun etwas lindert.

Und die OV/KSB-Aktion lässt nicht locker. „Nur wer Lesen und Schreiben gelernt hat, kann sich aus eigener Kraft aus der Armut befreien“, sagte einst Böhm, der viermal im Kreis Vechta weilte und dabei auch an SgH-Veranstaltungen teilnahm. Dem Leitspruch des 2014 verstorbenen Schauspielers fühlt sich SgH auch nach über drei Jahrzehnten verpflichtet. Und deshalb wurde zusammen mit „Menschen für Menschen“ der Bau einer dritten SgH-Schule beschlossen. Die Vereinbarung über zweckgebundene Zuwendungen ist fixiert. Ab 2019 entsteht in Wore Illu town die neue „Wore Illu Higher Secondary School“ – eine weiterführende Schule für die Klassen 9 und 10. Als Startkapital dient jene Summe, die nach der Dobi-Schlussrechnung übrig bleibt. Dazu fließen dann Spenden aus den kommenden SgH-Aktionen in den dritten Schulbau.

Die alte Schule in Wore Illu ist aus Wellblech gebaut; morgens ist es sehr kalt, ab Mittag sehr heiß in den Klassen. Die Böden sind zum Teil aufgebrochen, die Räume und die Möblierung reichen für die über 2300 Schüler nicht aus, die Lernbedingungen sind seit Jahren extrem schlecht. Die Wore Illu Higher Secondary School besuchen alle Schüler aus den 19 umliegenden Higher Primary Schools, die das landesweite Examen zum Ende der 8. Klasse bestanden haben.

Seit 2011 ist die Region Wore Illu ein MfM-Projektgebiet. Die Böden sind abgetragen und ausgelaugt, der Ertrag der Felder reicht kaum zum Ăśberleben aus. Die Stiftung fĂĽhrte bereits diverse MaĂźnahmen in den Bereichen Wasser, Hygiene, Gesundheit, Landwirtschaft und Bildung durch. Letzteres wird nun durch die neue Schule noch verstärkt. Und wenn der Bau fertig ist, gibt’s auch in Wore Illu einen Festtag – so wie am 28. November 2017 in Kelecha Jibat.

SgH-Schulen in Ă„thiopien im Ăśberblick
1. SgH-Schule Kelecha Jibat
Die Higher Primary School fĂĽr 1332 SchĂĽler, die am 28. November 2017 feierlich eingeweiht wurde, besteht aus vier Gebäudekomplexen mit jeweils vier Klassenräumen, dazu gibt’s zwei Sanitärgebäude und einen Verwaltungstrakt. Die Baukosten inklusive Inneneinrichtung betrugen 277.000 Euro.
2. SgH-Schule in Dobi
In Dobi, das wie Kelecha Jibat in der Projektregion Dano liegt, entsteht gerade die 2. SgH-Schule für insgesamt 1004 Schüler. Zum Komplex der Higher Primary School gehören drei Gebäude für jeweils vier Klassen sowie zwei Sanitärhäuser und ein Verwaltungsgebäude. Baubeginn war am 1. November 2017. Fertigstellung: Frühjahr 2019. Kosten: 250.000 Euro.
3. SgH-Schule in Wore Illu
In der Region Wore Illu, im Nordosten Äthiopiens gelegen, wird die Wore Illu Higher Secondary School für die Klassen 9 und 10 neu gebaut. Im alten Komplex werden derzeit über 2300 Schüler unterrichtet. Der Neubau umfasst vier Klassenraumblöcke, eine Verwaltung, eine Bibliothek sowie zwei Sanitärhäuser. 2019 soll mit dem Bau begonnen werden, als Bauzeit sind 18 Monate geplant. Kosten: 385.000 Euro.

Bild: Es nimmt Formen an: Ein aktuelles Foto von der neuen Higher Primary School in Dobi. Foto: Stiftung Menschen fĂĽr Menschen