Exakt 15 Jahre spĂ€ter besuchte Dr. Peter Schaumberger, der neue Vorstand der Böhm-Stiftung, im Januar 2016 ein Wochenende lang einige Sportveranstaltungen. Nach Abschluss der 32. OV/KSB-Aktion, die mit einem Erlös von 220â
000 Euro endete, blickte Dr. Peter Schaumberger im OV-Interview zurĂŒck â und nach vorn.
Herr Schaumberger, ein Wochenende bei âSportler gegen Hungerâ: Was blieb hĂ€ngen?
Auf jeden Fall die Freude der Menschen, auch die GesprĂ€che und das Interesse, das gemeinsame Feiern war auch ganz toll. Bewegend war in einer Halle der Moment mit den 12,50 Euro, mit denen man ein Menschenleben in Ăthiopien einen Monat lang retten kann. Da habe ich gespĂŒrt, dass man die Menschen in Vechta erreicht hat. Die Bereitschaft dort, etwas abzugeben und zu teilen, das war berĂŒhrend fĂŒr mich.
Sind Sie mit den Sportlern, den Menschen hier warm geworden?
Man kannte sich ja nicht, aber ĂŒberall gab es eine herzliche Aufnahme, eine Freundlichkeit. Alles sehr offen und persönlich. Ein sehr schönes, tolles Wochenende! Alle sind auf einen zugekommen, bei den GesprĂ€chen habe ich groĂes Interesse erlebt.
SgH endete gerade mit dem Erlös von 220â
000 Euro, also ĂŒber 3,8 Millionen in 32 Jahren .â.â.
Die Summen sind natĂŒrlich gigantisch. Vor allem aber sind die KontinuitĂ€t und die Treue einfach beeindruckend. 32 Jahre, so lange, einfach unglaublich. Und ĂŒberall herrschte eine groĂe Identifikation mit der Aktion.
In Kelecha Jibat entsteht die SgH-Schule. Wie wird sie aussehen?
Sie wird ja nach unserem Standard gebaut. Vier GebĂ€ude mit je vier Klassen, ein VerwaltungsgebĂ€ude und ein SanitĂ€rgebĂ€ude nach Geschlechtern getrennt. Das hört sich fĂŒr uns selbstverstĂ€ndlich an, doch dort kennen sie das nicht. Wo wir arbeiten, ist praktisch plattes Land, die Ausstattung ist mittelalterlich.
Was ist nicht selbstverstÀndlich?
Etwa hygienische Grundregeln, die wir einfordern. Ordentliche Toiletten, sauberes Wasser, auch um Infektionskrankheiten vorzubeugen. Es geht ja schnell: Man hat einen Erreger am Finger, wischt sich durchs Auge .â.â.
Es gibt Fotos von der jetzigen Schule, wo MĂ€dchen den Klassenboden mit Kuhmist âdesinfizierenâ .â.â.
Gegen Sandflöhe. Die Kinder laufen barfĂŒĂig rum, im Boden stecken Sandflöhe, schnell bilden sich EntzĂŒndungen. Unsere neuen Schulen haben Betonböden, ein sauberer Estrich. Das ist nicht luxuriös, aber Hauptsache, es setzen sich keine Erreger fest.
Wie lÀuft der Bau ab?
Den fĂŒhren Ă€thiopische Firmen durch. Wir haben ja schon 400 Schulen gebaut, da wissen wir bis ins Detail, was gebraucht wird, was gemacht werden muss. Das Auswahlverfahren verlĂ€uft sehr transparent und anonym; der Preis spielt eine Rolle, aber auch die qualitative Bewertung.
.â.â. und die Arbeiter?
Es werden auch Tagelöhner beschĂ€ftigt. Wir legen Wert darauf, dass Menschen aus der Region eingebunden sind, wir schreiben auch einen Mindestlohn vor, der natĂŒrlich nicht mit unserem hier zu vergleichen ist.
Eine Schule löst nicht gleich alle Probleme im Projektgebiet.
Wir dĂŒrfen die Schulen nicht isoliert sehen. Bei uns herrscht Schulpflicht. Wenn ein Kind nicht zur Schule geht, kommt die Polizei. In Ăthiopien ist es ein Luxus, ein Privileg, in die Schule gehen zu können. Die Kinder mĂŒssen nĂ€mlich zu Hause mitarbeiten. Sie mĂŒssen in ihren 5- oder 20-Liter-BehĂ€ltern sauberes Wasser von oft weit entfernten Stellen holen. Oder Brennholz. Je abgeholzter die FlĂ€chen, desto weiter der Weg. Es hĂ€ngt alles eng miteinander zusammen. Daher betreiben wir intensive Aufforstung, das verhindert die Bodenerosion, speichert mehr Wasser im Boden und der Weg zum Holzholen ist nicht mehr so weit.
Muss es immer gleich was GroĂes sein?
Nein, auch kleine Ideen können viel bewirken. Die Frauen backen etwa am offenen Feuer ihr Fladenbrot, das braucht viel Holz, das sorgt fĂŒr Rauch und Qualm in den HĂŒtten, Husten und Krankheiten. Wir haben einen kleinen Ofen entwickelt â aus drei oder vier rundlichen Zementblöcken, die von Frauen in kleinen Manufakturen hergestellt werden. Der Rauch zieht nach auĂen ab, der Wirkungsgrad des Feuers ist höher, es muss weniger Holz hergetragen werden, die Kinder haben mehr Zeit fĂŒr die Schule.
Die Schule steht â und dann?
Wir wĂŒrden keine Schule bauen, wenn es keinen Vertrag gibt, dass die Schule auch betrieben wird. Es war ja der Grundsatz von Karlheinz Böhm: Wir liefern die Grundausstattung, die Ausbildung betreiben wir nicht, dafĂŒr ist die Bevölkerung selbst verantwortlich.
Das funktioniert auch?
In den zehn oder 17 Jahren, in denen wir in den Projektgebieten arbeiten, kontrollieren wir ja alles aus direkter Beobachtung. FĂŒr Gebiete, aus denen wir uns zurĂŒckgezogen haben, beauftragen wir externe Unternehmen, um ein objektives Ergebnis zu haben, wie nachhaltig unsere Arbeit war. Von dem in der Entwicklungshilfe tĂ€tigen schwĂ€bischen Beratungsunternehmen Fakt haben wir gerade ein sehr, sehr positives Feedback aus einem Gebiet erhalten, das wir vor sechs Jahren verlassen haben.
Eigenverantwortung: Wie spielte sich das dort ab?
Die Bewohner hatten richtige Komitees eingerichtet, die sich um die Pflege der GebĂ€ude, Einrichtungen oder Maschinen kĂŒmmern. In den kleinen VorstĂ€nden sitzen schon Menschen der nĂ€chsten Generation, fĂŒr sie ist es quasi ein Ehrenamt.
In welcher GröĂenordnung befindet sich der Mitarbeiterstab?
In Ăthiopien haben wir rund 750 Mitarbeiter, davon sind nur vier nicht Ăthiopier. Das ist ein Teil der Strategie von Karlheinz Böhm: nicht Helfer aus Europa, sondern Einheimische vor Ort. Das Geld bleibt da, die Ăthiopier kennen die Situation und MentalitĂ€t. Sie sind auch gĂŒnstiger als teure europĂ€ische KrĂ€fte, obwohl die Ăthiopier einen ordentlichen Lohn bekommen.
Und in Deutschland?
In MĂŒnchen arbeiten 25 Menschen, hauptsĂ€chlich in der Ăffentlichkeitsarbeit, der Spendenbearbeitung und der BuchfĂŒhrung. Unser Buchhaltungssystem wird gerade so umgestellt, dass wir von MĂŒnchen aus alles eleká tronisch fĂŒr Ăthiopien erfassen, was dort bislang auf Papier lief. Welche Schraube geht in welches Projekt fĂŒr welches Auto.
Transparenz ist fĂŒr MfM ein entscheidendes Kriterium?
Seit es uns gibt, haben wir immer das Deutsche Spendensiegel erhalten, auch bei der SonderprĂŒfung in der Krise. Beim letzten Mal gab es erstmals keine Anmerkung, was wir vielleicht besser machen können. Beim Finanztest der Stiftung Warentest haben wir besonders gut abgeschnitten, wir gehörten zu den drei besten Organisationen.
Gilt das auch fĂŒr die Schulen?
Der TĂV Rheinland hat 2013 unsere Schulen ĂŒberprĂŒft. NatĂŒrlich kann man billiger bauen, aber wir wollen ja nachhaltig bauen. Unsere Schulen sollen 30 Jahre halten. FĂŒr den Preis, die QualitĂ€t und Haltbarkeit hat uns der TĂV ein ’sehr gut‘ bescheinigt. Wir sind wahrscheinlich die best-ĂŒberprĂŒfte Organisation. Wenn ich dafĂŒr immer einen Orden kriege, wĂŒrde ich wie ein General gebĂŒckt laufen. Wir lassen, auf gut Deutsch gesagt, mehrfach im Jahr die Hosen runter.
Sie sind seit 2014 Vorstandsvorsitzender: Ihr Ziel, ihr Wunsch?
Ich möchte, dass wir uns als wĂŒrdig erweisen, das einmalige Lebenswerk von Karlheinz Böhm in die Zukunft zu bringen. Ein vergleichbares Lebenswerk gibt es nicht. Karlheinz Böhm war eine einmalige Persönlichkeit, ein charismatischer Mensch, der ĂŒberzeugen konnte und inspiriert hat. Um seinen Wunsch, dass die Ăthiopier sagen, ‚Lieber Karl, wir brauchen Deine Hilfe nicht mehr‘, wahr werden zu lassen, bedarf es vieler Jahre und Jahrzehnte, wenn er sich ĂŒberhaupt erfĂŒllen lĂ€sst. Wir werden sehr hart daran arbeiten, um das Vertrauen der Spender zu erfĂŒllen und weiteres Vertrauen zu gewinnen.
Aktuell herrscht im zentralen Afrika auch aufgrund des Klimawandels wieder eine DĂŒrrekatastrophe. Seit MĂ€rz 2015 fielen teilweise zwei Regenzeiten aus.
Allein in Ăthiopien sind seit Jahresanfang ĂŒber zehn Millionen Menschen akut vom Hunger bedroht. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern offizielle SchĂ€tzungen der UN. Und die Zahl wird sich erhöhen, denn die seit fast einem Jahr wĂ€hrende DĂŒrre hĂ€lt an. Die Katastrophe kommt aber erst jetzt in den Medien an, das hĂ€ngt auch mit den FlĂŒchtlingsdramen zusammen.
Wie sieht ihre Nothilfe aus?
Ganz einfach: Eine Nahrungsration fĂŒr eine Person und einen Monat besteht nur aus Getreide, HĂŒlsenfrĂŒchten und 3/4 Liter Speiseöl â das kostet 12,50 Euro, das ist nur zum Ăberleben, ĂŒber Fleisch reden wir gar nicht, das ist notgedrungen ganz vegan.
In der Praxis heiĂt das?
Die Not herrscht ja vor allem in den lÀndlichen, entlegenen Gebieten. Wir machen das alles mit unseren eigenen Mitarbeitern, setzen unsere 30 Jahre alten Lkw ein. Wir brauchen keine Speditionen, es gibt auch, was man weltweit oft hört, dank unserer Mitarbeiter keinen Schwund unterwegs an klebrigen HÀnden.
Drohen neue FlĂŒchtlingsströme?
UnabhĂ€ngig von politischen Dimensionen flĂŒchten Menschen doch aus existenziellen ZwĂ€ngen. Die gehen ja nicht zum SpaĂ weg, sie wollen ja bleiben. Wir mĂŒssen ihnen Perspektiven bieten und ein wĂŒrdevolles Leben in ihrer Heimat ermöglichen. Aus Ăthiopien gibt es bei uns nur wenige FlĂŒchtlinge. Vielleicht auch, weil die Böhm-Stiftung vielen Millionen eine Perspektive fĂŒr die Zukunft bietet. Es ist auch wirtschaftlich vernĂŒnftiger, Katastrophen langfristig durch PrĂ€vention abzumildern als FlĂŒchtlinge in Deutschland zu versorgen.
12,50 Euro zum Ăberleben: Muss auch SgH zu den AnfĂ€ngen 1984/ 85 zurĂŒck, also zum Kampf gegen den realen Hungertod?
Nothilfe machen wir ja in der Not, das ist unsere Pflicht. Vordringliches Ziel muss es bleiben, langfristig Perspektiven zu bieten. Aufforstung, BewÀsserung, Berufsausbildung, Schulen: Es bleiben immense Aufgaben.
Bild: Der Bau der ersten SgH-Schule schreitet voran: Dieses Bild traf Ende Januar aus dem Àthiopischen Kelecha Jibat ein. Foto: MfM
Von Franz-Josef Schlömer
Vechta. Im Januar 2001 mischte sich Karlheinz Böhm, der GrĂŒnder der Stiftung âMenschen fĂŒr Menschenâ (MfM), ein Wochenende lang unter die âSportler gegen Hungerâ im Kreis Vechta.
Exakt 15 Jahre spĂ€ter besuchte Dr. Peter Schaumberger, der neue Vorstand der Böhm-Stiftung, im Januar 2016 ein Wochenende lang einige Sportveranstaltungen. Nach Abschluss der 32. OV/KSB-Aktion, die mit einem Erlös von 220â 000 Euro endete, blickte Dr. Peter Schaumberger im OV-Interview zurĂŒck â und nach vorn.
Herr Schaumberger, ein Wochenende bei âSportler gegen Hungerâ: Was blieb hĂ€ngen?
Auf jeden Fall die Freude der Menschen, auch die GesprĂ€che und das Interesse, das gemeinsame Feiern war auch ganz toll. Bewegend war in einer Halle der Moment mit den 12,50 Euro, mit denen man ein Menschenleben in Ăthiopien einen Monat lang retten kann. Da habe ich gespĂŒrt, dass man die Menschen in Vechta erreicht hat. Die Bereitschaft dort, etwas abzugeben und zu teilen, das war berĂŒhrend fĂŒr mich.
Sind Sie mit den Sportlern, den Menschen hier warm geworden?
Man kannte sich ja nicht, aber ĂŒberall gab es eine herzliche Aufnahme, eine Freundlichkeit. Alles sehr offen und persönlich. Ein sehr schönes, tolles Wochenende! Alle sind auf einen zugekommen, bei den GesprĂ€chen habe ich groĂes Interesse erlebt.
SgH endete gerade mit dem Erlös von 220â 000 Euro, also ĂŒber 3,8 Millionen in 32 Jahren .â.â.
Die Summen sind natĂŒrlich gigantisch. Vor allem aber sind die KontinuitĂ€t und die Treue einfach beeindruckend. 32 Jahre, so lange, einfach unglaublich. Und ĂŒberall herrschte eine groĂe Identifikation mit der Aktion.
In Kelecha Jibat entsteht die SgH-Schule. Wie wird sie aussehen?
Sie wird ja nach unserem Standard gebaut. Vier GebĂ€ude mit je vier Klassen, ein VerwaltungsgebĂ€ude und ein SanitĂ€rgebĂ€ude nach Geschlechtern getrennt. Das hört sich fĂŒr uns selbstverstĂ€ndlich an, doch dort kennen sie das nicht. Wo wir arbeiten, ist praktisch plattes Land, die Ausstattung ist mittelalterlich.
Was ist nicht selbstverstÀndlich?
Etwa hygienische Grundregeln, die wir einfordern. Ordentliche Toiletten, sauberes Wasser, auch um Infektionskrankheiten vorzubeugen. Es geht ja schnell: Man hat einen Erreger am Finger, wischt sich durchs Auge .â.â.
Es gibt Fotos von der jetzigen Schule, wo MĂ€dchen den Klassenboden mit Kuhmist âdesinfizierenâ .â.â.
Gegen Sandflöhe. Die Kinder laufen barfĂŒĂig rum, im Boden stecken Sandflöhe, schnell bilden sich EntzĂŒndungen. Unsere neuen Schulen haben Betonböden, ein sauberer Estrich. Das ist nicht luxuriös, aber Hauptsache, es setzen sich keine Erreger fest.
Wie lÀuft der Bau ab?
Den fĂŒhren Ă€thiopische Firmen durch. Wir haben ja schon 400 Schulen gebaut, da wissen wir bis ins Detail, was gebraucht wird, was gemacht werden muss. Das Auswahlverfahren verlĂ€uft sehr transparent und anonym; der Preis spielt eine Rolle, aber auch die qualitative Bewertung.
.â.â. und die Arbeiter?
Es werden auch Tagelöhner beschĂ€ftigt. Wir legen Wert darauf, dass Menschen aus der Region eingebunden sind, wir schreiben auch einen Mindestlohn vor, der natĂŒrlich nicht mit unserem hier zu vergleichen ist.
Eine Schule löst nicht gleich alle Probleme im Projektgebiet.
Wir dĂŒrfen die Schulen nicht isoliert sehen. Bei uns herrscht Schulpflicht. Wenn ein Kind nicht zur Schule geht, kommt die Polizei. In Ăthiopien ist es ein Luxus, ein Privileg, in die Schule gehen zu können. Die Kinder mĂŒssen nĂ€mlich zu Hause mitarbeiten. Sie mĂŒssen in ihren 5- oder 20-Liter-BehĂ€ltern sauberes Wasser von oft weit entfernten Stellen holen. Oder Brennholz. Je abgeholzter die FlĂ€chen, desto weiter der Weg. Es hĂ€ngt alles eng miteinander zusammen. Daher betreiben wir intensive Aufforstung, das verhindert die Bodenerosion, speichert mehr Wasser im Boden und der Weg zum Holzholen ist nicht mehr so weit.
Muss es immer gleich was GroĂes sein?
Nein, auch kleine Ideen können viel bewirken. Die Frauen backen etwa am offenen Feuer ihr Fladenbrot, das braucht viel Holz, das sorgt fĂŒr Rauch und Qualm in den HĂŒtten, Husten und Krankheiten. Wir haben einen kleinen Ofen entwickelt â aus drei oder vier rundlichen Zementblöcken, die von Frauen in kleinen Manufakturen hergestellt werden. Der Rauch zieht nach auĂen ab, der Wirkungsgrad des Feuers ist höher, es muss weniger Holz hergetragen werden, die Kinder haben mehr Zeit fĂŒr die Schule.
Die Schule steht â und dann?
Wir wĂŒrden keine Schule bauen, wenn es keinen Vertrag gibt, dass die Schule auch betrieben wird. Es war ja der Grundsatz von Karlheinz Böhm: Wir liefern die Grundausstattung, die Ausbildung betreiben wir nicht, dafĂŒr ist die Bevölkerung selbst verantwortlich.
Das funktioniert auch?
In den zehn oder 17 Jahren, in denen wir in den Projektgebieten arbeiten, kontrollieren wir ja alles aus direkter Beobachtung. FĂŒr Gebiete, aus denen wir uns zurĂŒckgezogen haben, beauftragen wir externe Unternehmen, um ein objektives Ergebnis zu haben, wie nachhaltig unsere Arbeit war. Von dem in der Entwicklungshilfe tĂ€tigen schwĂ€bischen Beratungsunternehmen Fakt haben wir gerade ein sehr, sehr positives Feedback aus einem Gebiet erhalten, das wir vor sechs Jahren verlassen haben.
Eigenverantwortung: Wie spielte sich das dort ab?
Die Bewohner hatten richtige Komitees eingerichtet, die sich um die Pflege der GebĂ€ude, Einrichtungen oder Maschinen kĂŒmmern. In den kleinen VorstĂ€nden sitzen schon Menschen der nĂ€chsten Generation, fĂŒr sie ist es quasi ein Ehrenamt.
In welcher GröĂenordnung befindet sich der Mitarbeiterstab?
In Ăthiopien haben wir rund 750 Mitarbeiter, davon sind nur vier nicht Ăthiopier. Das ist ein Teil der Strategie von Karlheinz Böhm: nicht Helfer aus Europa, sondern Einheimische vor Ort. Das Geld bleibt da, die Ăthiopier kennen die Situation und MentalitĂ€t. Sie sind auch gĂŒnstiger als teure europĂ€ische KrĂ€fte, obwohl die Ăthiopier einen ordentlichen Lohn bekommen.
Und in Deutschland?
In MĂŒnchen arbeiten 25 Menschen, hauptsĂ€chlich in der Ăffentlichkeitsarbeit, der Spendenbearbeitung und der BuchfĂŒhrung. Unser Buchhaltungssystem wird gerade so umgestellt, dass wir von MĂŒnchen aus alles eleká tronisch fĂŒr Ăthiopien erfassen, was dort bislang auf Papier lief. Welche Schraube geht in welches Projekt fĂŒr welches Auto.
Transparenz ist fĂŒr MfM ein entscheidendes Kriterium?
Seit es uns gibt, haben wir immer das Deutsche Spendensiegel erhalten, auch bei der SonderprĂŒfung in der Krise. Beim letzten Mal gab es erstmals keine Anmerkung, was wir vielleicht besser machen können. Beim Finanztest der Stiftung Warentest haben wir besonders gut abgeschnitten, wir gehörten zu den drei besten Organisationen.
Gilt das auch fĂŒr die Schulen?
Der TĂV Rheinland hat 2013 unsere Schulen ĂŒberprĂŒft. NatĂŒrlich kann man billiger bauen, aber wir wollen ja nachhaltig bauen. Unsere Schulen sollen 30 Jahre halten. FĂŒr den Preis, die QualitĂ€t und Haltbarkeit hat uns der TĂV ein ’sehr gut‘ bescheinigt. Wir sind wahrscheinlich die best-ĂŒberprĂŒfte Organisation. Wenn ich dafĂŒr immer einen Orden kriege, wĂŒrde ich wie ein General gebĂŒckt laufen. Wir lassen, auf gut Deutsch gesagt, mehrfach im Jahr die Hosen runter.
Sie sind seit 2014 Vorstandsvorsitzender: Ihr Ziel, ihr Wunsch?
Ich möchte, dass wir uns als wĂŒrdig erweisen, das einmalige Lebenswerk von Karlheinz Böhm in die Zukunft zu bringen. Ein vergleichbares Lebenswerk gibt es nicht. Karlheinz Böhm war eine einmalige Persönlichkeit, ein charismatischer Mensch, der ĂŒberzeugen konnte und inspiriert hat. Um seinen Wunsch, dass die Ăthiopier sagen, ‚Lieber Karl, wir brauchen Deine Hilfe nicht mehr‘, wahr werden zu lassen, bedarf es vieler Jahre und Jahrzehnte, wenn er sich ĂŒberhaupt erfĂŒllen lĂ€sst. Wir werden sehr hart daran arbeiten, um das Vertrauen der Spender zu erfĂŒllen und weiteres Vertrauen zu gewinnen.
Aktuell herrscht im zentralen Afrika auch aufgrund des Klimawandels wieder eine DĂŒrrekatastrophe. Seit MĂ€rz 2015 fielen teilweise zwei Regenzeiten aus.
Allein in Ăthiopien sind seit Jahresanfang ĂŒber zehn Millionen Menschen akut vom Hunger bedroht. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern offizielle SchĂ€tzungen der UN. Und die Zahl wird sich erhöhen, denn die seit fast einem Jahr wĂ€hrende DĂŒrre hĂ€lt an. Die Katastrophe kommt aber erst jetzt in den Medien an, das hĂ€ngt auch mit den FlĂŒchtlingsdramen zusammen.
Wie sieht ihre Nothilfe aus?
Ganz einfach: Eine Nahrungsration fĂŒr eine Person und einen Monat besteht nur aus Getreide, HĂŒlsenfrĂŒchten und 3/4 Liter Speiseöl â das kostet 12,50 Euro, das ist nur zum Ăberleben, ĂŒber Fleisch reden wir gar nicht, das ist notgedrungen ganz vegan.
In der Praxis heiĂt das?
Die Not herrscht ja vor allem in den lÀndlichen, entlegenen Gebieten. Wir machen das alles mit unseren eigenen Mitarbeitern, setzen unsere 30 Jahre alten Lkw ein. Wir brauchen keine Speditionen, es gibt auch, was man weltweit oft hört, dank unserer Mitarbeiter keinen Schwund unterwegs an klebrigen HÀnden.
Drohen neue FlĂŒchtlingsströme?
UnabhĂ€ngig von politischen Dimensionen flĂŒchten Menschen doch aus existenziellen ZwĂ€ngen. Die gehen ja nicht zum SpaĂ weg, sie wollen ja bleiben. Wir mĂŒssen ihnen Perspektiven bieten und ein wĂŒrdevolles Leben in ihrer Heimat ermöglichen. Aus Ăthiopien gibt es bei uns nur wenige FlĂŒchtlinge. Vielleicht auch, weil die Böhm-Stiftung vielen Millionen eine Perspektive fĂŒr die Zukunft bietet. Es ist auch wirtschaftlich vernĂŒnftiger, Katastrophen langfristig durch PrĂ€vention abzumildern als FlĂŒchtlinge in Deutschland zu versorgen.
12,50 Euro zum Ăberleben: Muss auch SgH zu den AnfĂ€ngen 1984/ 85 zurĂŒck, also zum Kampf gegen den realen Hungertod?
Nothilfe machen wir ja in der Not, das ist unsere Pflicht. Vordringliches Ziel muss es bleiben, langfristig Perspektiven zu bieten. Aufforstung, BewÀsserung, Berufsausbildung, Schulen: Es bleiben immense Aufgaben.
Bild: Der Bau der ersten SgH-Schule schreitet voran: Dieses Bild traf Ende Januar aus dem Àthiopischen Kelecha Jibat ein. Foto: MfM