Schulbau Start

Vorfreude in Awedi Gulfa: Sauberes Wasser dank SgH

OV/KSB-Aktion startet in die 38. Saison: Das nächste Großprojekt ist ein kleinstädtisches Wasserversorgungssystem in der Region Dano

Von Carsten Boning

Vechta. Am Ufer des Washemo herrscht reges Treiben. Frauen tunken ihre Wäsche in das milchige Wasser des Flusses, daneben seifen sich junge Männer ein. Wasserhändler treiben ihre Pferde- und Eselkarren den steinigen Hang zum Flussbett hinab, um das kostbare Nass, mit dem sie Restaurants, Geschäfte und auch Privathaushalte in der äthiopischen Kleinstadt Ijaji versorgen, literweise abzufüllen.

Nicht weit entfernt von den Händlern fĂĽllt auch Fra’ol Abebe einen gelben Kanister ab. Er ist zwölf Jahre alt, seine Schwester Sifan (10) hilft ihm. Eine hölzerne Schubkarre, die der Junge selbst gebaut hat, dient als Beförderungsmittel, um die siebenköpfige Familie mit Wasser aus dem verdreckten Fluss zu versorgen. Es dient zum Kochen und Waschen. „Niemals zum Trinken“, verrät Fra’ol im Magazin „Nagaya“ (Frieden) der Karlheinz-Böhm-Stiftung „Menschen fĂĽr Menschen“ (MfM), die seit 1984 von der OV/KSB-Aktion „Sportler gegen Hunger“ bei der Arbeit in Ă„thiopien unterstĂĽtzt wird. Er ergänzt: „Das Flusswasser ist eklig und macht krank.“

Aber: Es gibt keine Alternative. Das Wassernetz der Stadt, die sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht hat (jetzt rund 30.000 Einwohner), funktioniert unzuverlässig. „Wenn wir Glück haben, fließt alle zwei Wochen etwas Wasser aus der Leitung“, sagt Belachew Tesfaye, der in Ijaji zwei Restaurants und eine Metzgerei betreibt. Wann das Wasser fließt, weiß er nicht. Eine Lotterie. „Unser Wasserhahn ist einfach immer aufgedreht“, erklärt Tesfaye. Ijaji ist jene Stadt im Bezirk Illu Gelan, in der „SgH“ seine vierte Schule baut – die Ijaji Higher Secondary School.

„Im ländlichen Äthiopien haben nur vier von zehn Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser“, berichtet Dr. Sebastian Brandis, Vorstandssprecher der Stiftung „Menschen für Menschen“. Die Errichtung von Wasserversorgungssystemen ist aktuell eine Hauptaufgabe von MfM – und SgH wird dabei im großen Stil helfen. Nicht in Ijaji, dort ist ein Versorgungssystem bereits in Arbeit. SgH wird im benachbarten Bezirk Dano sein fünftes Großprojekt nach den vier bereits komplett finanzierten Schulbauten in Kelecha Jibat, Dobi, Wore Illu (alle in Betrieb) und Ijaji (zu 35 Prozent fertig) starten. Der Erlös der beiden nächsten SgH-Winter – die 38. Saison 2021/22 startet offiziell am 1. Dezember – fließt zweckgebunden in das neue Projekt „Kleinstädtisches Wasserversorgungssystem in Awedi Gulfa“.

Der Ort mit seinen 560 Haushalten gehört zum Bezirk Dano, in dem MfM seit 2013 tätig ist. Zu Beginn der Projektarbeit gab es in dem 659 Quadratkilometer großen Gebiet lediglich 26 Wasserstellen mit hygienisch einwandfreiem Wasser. Nach acht Jahren und dem Bau von 135 Quellfassungen und Handpumpenbrunnen kann sich 65,8 Prozent der Bevölkerung von Dano mit Trinkwasser versorgen.

In Awedi Gulfa ist der Wert viel schlechter. Die Menschen des Ortes holen sich Trinkwasser von zwei MfM-Quellfassungen. Diese reichen aber nicht aus, nur elf Prozent der Bewohner können sich mit hygienisch einwandfreiem Wasser versorgen. Die anderen holen sich Wasser aus ungesicherten Stellen und Gewässern, an denen auch das Vieh getränkt und die Wäsche gewaschen wird. Folge: Durchfallerkrankungen und andere Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser verursacht werden und insbesondere bei Kindern oft tödlich enden.

In Awedi Gulfa soll das bald der Vergangenheit angehören. Das Bohrloch für das Versorgungssystem ist bereits fertig. Auf der Grundlage einer Studie eines Hydrologen entstehen nun ein Pumphaus mit Generator, ein Reservoir, Wasserleitungen und diverse Wasserentnahmestellen. Zum neuen SgH-Projekt, dessen Kosten bei 330.000 Euro liegen, gehört auch der Bau von öffentlichen Duschhäuschen. Und: Die Bevölkerung wird in Hygiene- und Sanitärfragen geschult.

Sogenannte Wasserkomitees, die von MfM betreut werden, erheben bei den NutznieĂźern kleine Beträge, sodass anfallende Kosten bei der Instandhaltung beglichen werden können und die Nachhaltigkeit der Wasserstellen garantiert ist. Ganz wichtig: Die Wege zu sauberem Wasser werden kĂĽrzer und sicherer. Die Quellfassungen der Regierung sind oft bis zu eine Stunde FuĂźmarsch entfernt. Vielerorts gibt’s tagsĂĽber lange Schlangen, viele Frauen und Mädchen gehen nachts zu den Wasserstellen und werden Opfer von Ăśberfällen. Laut einer Erhebung der lokalen Behörden verbringen 65 Prozent der Haushalte, die keine Trinkwasserstelle in der Nähe haben, mehr als eine halbe Stunde damit, zu einem Fluss oder einem Wasserloch zu gelangen – und das mehrmals am Tag. Vor allem die Mädchen und Frauen können die gewonnene Zeit fĂĽr Schulbesuche oder das Erlernen eines Handwerks nutzen. Auch deshalb ist die Vorfreude in Awedi Gulfa groĂź.

Bild: Die Last auf den Rücken geschnallt: Schülerin Asna Nasir (12) aus Gora, einem Stadtteil von Ijaji, hat Wasser aus einem MfM-Flachbrunnen geschöpft und macht sich nun auf den beschwerlichen Heimweg. Foto: MfM / Rainer Kwiotek